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Nadelrundholzmangel in Deutschland – Ursachen, Folgen und Perspektiven

Die deutsche Sägeindustrie steht aktuell vor einer angespannten Situation: Der Mangel an Nadelrundholz, insbesondere Fichte, verschärft sich und belastet die gesamte Branche. Preissteigerungen, alternative Beschaffungswege und ein viel diskutierter offener Brief des DeSH-Präsidenten bestimmen die Debatten. Doch wie konnte es so weit kommen – und welche Folgen hat die Entwicklung für Waldbesitzer und Sägewerke?

Engpässe im Rohstoffmarkt: Die aktuelle Lage

In vielen Regionen Deutschlands haben sich die Rundholzengpässe im Sommer deutlich zugespitzt. Besonders betroffen ist die Fichte, die traditionell als einer der wichtigsten Rohstoffe für Sägewerke gilt.

Während in den vergangenen Jahren Käferholz und Sturmholz die Märkte stark geprägt haben, fällt dieses zusätzliche Angebot inzwischen weg. Dadurch geraten viele Betriebe unter Versorgungsdruck und müssen nach alternativen Quellen suchen.

Teure Importe aus Irland: Notlösung für einige Sägewerke

Einige Unternehmen haben begonnen, Sturmholz aus Irland zu importieren. Besonders gefragt ist dabei die Sitka-Fichte, die in größeren Schiffsladungen nach Deutschland transportiert wird. Doch diese Lösung ist teuer: Mit über 150 €/fm frei Werk liegen die Kosten weit über dem, was Sägewerke für heimische Fichte zahlen.

Da dieser Durchschnittspreis für alle Stärkeklassen gilt, ist der Import nur für wenige Unternehmen eine realistische Option. Die meisten Betriebe können sich diese kostspielige Strategie nicht dauerhaft leisten und suchen nach Alternativen im Inland.

Ferntransporte und Sortimentsanpassungen

Die angespannte Lage hat dazu geführt, dass Sägewerke auf ungewöhnliche Beschaffungsstrategien zurückgreifen:

Ferntransporte: Aus Süd- und Südwestdeutschland wird zunehmend Fichte nach Norddeutschland transportiert, um Versorgungslücken zu schließen.

Neue Absatzmärkte: Süddeutsche Großsägewerke treten verstärkt in den ostdeutschen Kiefernbeständen auf, obwohl diese bislang nicht im Fokus standen.

Anpassung der Sortimente: Um die Engpässe abzufedern, kaufen viele Sägewerke inzwischen auch Stämme mit Zopfdurchmessern ab 10 cm sowie Abschnitte mit drei Metern Länge. Damit greifen sie auf Holz zurück, das sonst überwiegend OSB- und Palettensägewerke nutzen.

Diese Entwicklungen zeigen, wie flexibel die Branche reagieren muss, um trotz Mangel an Rohstoffen weiter produzieren zu können.

Kontroverser DeSH-Brief: Signal oder Bumerang?

Besonders viel Aufmerksamkeit hat ein offener Brief des DeSH-Präsidenten, Dr. Stephan Lang, erregt. Ende August wandte er sich an Waldbesitzer mit dem Appell, die Sägewerke verlässlich zu beliefern.

Während der Brief als Hilferuf verstanden werden sollte, reagierten viele Branchenvertreter kritisch. Einige sprachen gar von einem „Bettelbrief“, der die Situation verschärfen könnte.

Die Befürchtung: Waldbesitzer könnten den Appell als Signal werten, ihre Erwartungen an steigende Preise weiter nach oben zu schrauben. Vor allem private Waldbesitzer, die flexibler agieren als staatliche Forstbetriebe, könnten dadurch ihre Einschlagsbereitschaft zurückhalten – und damit die Knappheit noch verstärken.

Preisentwicklung im Fokus: Fichte und Kiefer werden teurer

Die bevorstehenden Preisverhandlungen für das vierte Quartal 2025 sind von Unsicherheit geprägt. Schon jetzt zeichnen sich folgende Tendenzen ab:

Fichte L2b: Viele Großprivatwaldbesitzer und forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse streben 140 €/fm ab Waldstraße an.

Kiefer: Hier soll der Preis deutlich über 90 €/fm liegen, einige fordern sogar 100 €/fm.

Damit bewegt sich der Markt klar in Richtung Preissteigerungen. Allerdings gibt es auch bremsende Faktoren:

Vorverträge aus den Sommermonaten gelten bis Jahresende oder sogar ins erste Quartal 2026.

Einige Staatswald-Verträge sind aufgrund fehlenden Käferholzes nicht erfüllt worden, sodass auch im vierten Quartal noch Holz zu niedrigeren Konditionen geliefert wird.

Selbst Waldbesitzer warnen vor Übertreibungen, die die Märkte zusätzlich destabilisieren könnten.

Jahresverträge im Osten: Kiefer im Mittelpunkt

In Ostdeutschland stehen im Herbst die Verhandlungen über Jahresverträge an. Dabei rückt die Kiefer ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Die bisherigen Vorverträge schreiben noch Preise von unter 80 €/fm fest. Forstbetriebe streben nun mindestens 85 €/fm an, um die gestiegenen Kosten für Ernte und Transport abzubilden.

Ob dies gelingt, hängt stark von der Verhandlungsmacht der Waldbesitzer und der Dringlichkeit des Bedarfs auf Seiten der Sägewerke ab.

Folgen für die Branche: Zwischen Druck und Innovation

Die angespannte Rohstofflage hat vielfältige Auswirkungen auf die Sägeindustrie:

Wirtschaftlicher Druck: Höhere Preise und unsichere Liefermengen belasten die Kalkulation vieler Betriebe.

Anpassung der Produktion: Kleinere Durchmesser und Abschnitte fließen stärker in die Verarbeitung ein.

Verschärfter Wettbewerb: Regionale Unterschiede in der Versorgung führen zu Konkurrenz zwischen den Sägewerken.

Imagefragen: Diskussionen wie rund um den DeSH-Brief beeinflussen das Vertrauen zwischen Verbänden, Waldbesitzern und Betrieben.

Gleichzeitig zeigt die aktuelle Situation, wie wichtig Flexibilität und Innovationskraft sind. Unternehmen, die sich schnell anpassen, können die Herausforderungen besser meistern.

Blick nach vorn: Was bringt 2026?

Die kommenden Monate werden entscheidend für die weitere Entwicklung. Sollte es gelingen, die Märkte zu stabilisieren und verlässliche Lieferverträge zu schließen, könnte sich die Lage im Laufe des Jahres 2026 entspannen.

Gleichzeitig hängt vieles von externen Faktoren ab: dem Wetter, möglichen Schadholzmengen, Importmöglichkeiten und den Kosten für Transporte.

Fest steht: Die deutsche Sägeindustrie muss sich auf eine Phase einstellen, in der Rohstoffe knapp bleiben und die Zusammenarbeit mit Waldbesitzern von entscheidender Bedeutung ist. Nur durch partnerschaftliche Lösungen lassen sich Versorgungssicherheit und wirtschaftliche Stabilität langfristig sichern.

Fazit:

Der zunehmende Nadelrundholzmangel ist kein kurzfristiges Phänomen, sondern ein strukturelles Problem. Ob teure Importe, neue Sortimentsstrategien oder harte Preisverhandlungen – die Branche ist gefordert, kreative Wege zu finden. Der Dialog zwischen Waldbesitzern und Sägewerken wird darüber entscheiden, wie erfolgreich die deutsche Holzindustrie durch diese schwierige Zeit kommt.

Nadelrundholzmangel in Deutschland – Ursachen, Folgen und Perspektiven
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